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dem plattgewalzten Rasen herum und klaubte immer
noch weinend die Knöpfe auf. Mein Gesicht schien zu
glühen.
Dicky summte ein lustiges Liedchen und sah aus, als
würde er sich gern noch einmal kämmen. Im Nachhinein
betrachtet, muß ich ihn dafür bewundern. Immerhin legte
er keine falsche Reue wegen der ganzen Sache an den Tag.
Mrs. Granger kam watschelnd auf mich zu. »Charlie...
Charlie, Liebling...«
»Hält's Maul, du fette, alte Ziege!« schrie ich. Ich konnte
nichts klar sehen. Alles war vor meinen Augen ver-
schwommen, und all die Gesichter schienen auf mich
einzustürmen. Alle Hände schienen Klauen mit Krallen
zu sein. Ich konnte nichts erkennen und keine weiteren
Knöpfe aufsammeln. »Fette, alte Ziege!«
Dann rannte ich fort.
Ich blieb hinter einem leerstehenden Haus unten an der
Willow Street stehen und setzte mich dann hin, bis meine
Tränen versiegten. Getrockneter Rotz klebte unter meiner
Nase. Ich spuckte auf mein Taschentuch und wischte ihn
ab. Ich schneuzte mir die Nase. Eine streunende Katze
kam vorbei, und ich versuchte, sie zu streicheln. Die Katze
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wich vor meiner Hand aus und lief davon. Ich wußte
genau, wie sie sich fühlte.
Der Anzug war ziemlich ramponiert, doch das war mir
gleichgültig. Ich machte mir nicht einmal Sorgen wegen
meiner Mutter, obwohl sie vermutlich Dicky Cables Mut-
ter anrufen und sich in ihrem kultivierten Tonfall be-
schweren würde. Aber mein Vater. Ich sah vor meinem
geistigen Auge, wie er dasitzen, mich mit sorgsam be-
wahrter Pokermiene betrachten und sagen würde: Wie
sieht der andere Kerl aus?
Und meine Lüge.
Ich saß dort fast eine Stunde und plante, zum Highway
zu gehen, per Anhalter aus der Stadt zu fahren und nie
mehr zurückzukehren.
Schließlich ging ich jedoch nach Hause.
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Draußen entwickelte sich eine regelrechte Bullen-Tagung.
Blaue Streifenwagen, weiße vom Lewiston Police Depart-
ment, ein schwarzweißer von Brunswick, zwei weitere
von Auburn. Die Verantwortlichen für dieses große Poli-
zeiaufgebot liefen zwischen den Wagen hin und her und
duckten sich tief. Weitere Zeitungsreporter tauchten auf.
Sie schoben Kameras mit langen Teleobjektiven über die
Dächer ihrer Wagen. Auf der Straße und jenseits der
Schule waren Absperrbarrieren aufgestellt worden, zu-
sammen mit Doppelreihen dieser verrußten kleinen Kero-
sintöpfe - für mich wirken diese Dinger stets wie die
Bomben eines Cartoon-Anarchisten. Inzwischen hatte
man auch ein Schild mit dem Hinweis UMLEITUNG
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aufgestellt. Ich nehme an, sie hatten nichts Passenderes
auf Lager - VORSICHT! IRRER AM WERK, zum Beispiel.
Don Grace und der gute alte Tom palaverten mit einem
riesigen, stämmigen Mann in der Uniform der Staatspoli-
zei. Don wirkte fast ärgerlich. Der große, stämmige Mann
hörte zu und schüttelte den Kopf. Der Hüne mußte Cap-
tain Frank Philbrick von der Maine State Police sein. Ich
fragte mich, ob er wußte, daß er voll in meinem Schußfeld
stand.
Carol Granger sprach plötzlich mit bebender Stimme.
Ihre beschämte Miene beunruhigte mich. Ich hatte diese
Geschichte nicht erzählt, um Carol zu beschämen. »Ich
war doch noch ein Kind, Charlie.«
»Das weiß ich«, sagte ich und lächelte. »Du warst
schrecklich hübsch an diesem Tag. Du sahst bestimmt
nicht wie ein Kind aus.«
»Ich hatte mich auch ein bißchen in Dicky Cable ver-
knallt.«
»Nach der Party und allem?«
Sie wirkte jetzt noch beschämter. »Schlimmer denn je.
Ich ging mit ihm in der achten Klasse zum Picknick. Er war
so... oh, kühn, nehme ich an. Wild. Bei dem Picknick...
weißt du, er wurde frech, urid ich ließ ihn, ein wenig.
Doch das war das einzige Mal, daß ich mit ihm irgendwo-
hin ging. Ich weiß nicht mal, wo er jetzt ist.«
»Auf dem Friedhof in Placerville«, sagte Dick Keene
dumpf.
Das jagte mir einen Schrecken ein. Es war, als hätte ich
soeben den Geist von Mrs. Underwood gesehen. Ich hätte
immer noch die Stellen zeigen können, auf die mich Dicky
geschlagen hatte. Die Vorstellung, daß er tot war, rief ein
sonderbares, fast alptraumhaftes Entsetzen in mir vor -
und ich sah meine Gefühle auf Carols Gesicht widerge-
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spiegelt. Er wurde frech, und ich ließ ihn, ein bißchen, hatte sie
gesagt. Was bedeutete das genau bei einem kleinen Mäd-
chen wie Carol, das aufs College wollte? Vielleicht hatte er
sie geküßt. Vielleicht hatte er sie sogar ins Grüne mitge-
nommen und das jungfräuliche Territorium ihrer knos-
penden Brüste kartographisch erfaßt. Bei diesem Picknick
in der achten Klasse. Gott schütze uns alle. Er war kühn
und wild gewesen.
»Was ist mit ihm passiert?« fragte Don Lordi.
Dick sprach langsam. »Er wurde von einem Wagen
angefahren. Das war wirklich komisch. Nicht zum La-
chen, wißt ihr, sondern seltsam. Er machte im letzten
Oktober den Führerschein, und er fuhr stets wie ein Irrer.
Völlig verrückt. Ich glaube, er wollte jeden wissen lassen,
daß er Mut hatte. Er wollte sich aufspielen, versteht ihr. Es
wurde so schlimm, daß kaum noch einer mit ihm fahren
wollte. Er hatte einen 1966er Pontiac, und er machte alle
wesentlichen Arbeiten daran selbst. Spritzte ihn flaschen-
grün und malte ein Pik-As auf die Beifahrertür.
»Klar, ich habe den Wagen gesehen«, sagte Melvin.
»War ziemlich aufgemotzt.
»Er baute ein neues Getriebe ein«, sagte Dick. »Einen
besonderen Vergaser, obenliegende Nockenwelle und ei-
nen Einspritzmotor. Die Karre schnurrte nur so. Neunzig
im zweiten Gang. Ich fuhr mal mit, als er an einem Abend
die Stackpole Road in Harlow mit fünfundneunzig Sachen
hochzischte. Wir biegen bei Brissett in die Kurve und
kommen ins Schleudern. Ich lande auf dem Wagenboden.
Du hast recht, Charlie. Dicky Cable sah sonderbar aus,
wenn er lächelte. Ich weiß nicht, ob er genau wie ein
Rasenmäher aussah, aber es war wirklich seltsam. Er
grinste und grinste die ganze Zeit, während wir schleu-
derten. Und er sagte... wie im Selbstgespräch... >Ich
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kann ihn halten, ich kann ihn halten!
sagte er das. Und er schaffte es. Ich ließ ihn anhalten und
ging zu Fuß nach Hause. Meine Beine waren wie Gum-
mi. Ein paar Monate später wurde er von einem Liefer-
wagen oben in Lewiston gerammt, als er die Lisbon
Street an der Kreuzung überqueren wollte. Randy Milli-
ken war bei ihm, und Randy sagte, daß Dicky weder
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